Hören & Zuhören

Der Blog von zuhoeren dreht sich um alles, was mit Hören zu tun hat. Musik, Geräusche, Meinungen, Töne, Positionen ... Nur selten um Werbung und Marketing. Die andere Seite von zuhoeren und ganz im Sinne von Immanuel Kant:

„Nichtsehen trennt den Menschen von den Dingen,
Nichthören trennt den Menschen vom Menschen.“



Sonntag, 12. September 2010

Komische Samstage

Ich sitze auf der Terrasse. Es ist früh am Morgen, die Natur erwacht. Man hört die Vögel zwitschern, manche im Dialog, manche flöten einsam. Ganz entfernt das Rauschen der Autobahn, ab und an fahren Autos vorbei - auf dem Weg zum Bäcker, der eigentlich ganz nah ist. Hinten schleicht eine Katze vorbei, tappst durchs feuchte Gras. Die Jalousien werden hochgezogen - nicht leise, sondern kräftig - unsere Nachbarschaft  begrüßt den Morgen. Gegenüber wird dem Tag gedankt, der gestrige Abend in freundlichem Small Talk ausgetauscht. Ein Vater mit Kind kommt vorbei, schemenhaft hinter der Hecke erkennbar, aber deutlich hörbar. Fragen werden gestellt, Regeln zum Überqueren der Straße erläutert. Geduldig aber klar. Langsam verlieren sich die einzelnen Geräusche und werden Kulisse. Die Sonne taucht den Garten in goldenes Licht, die Geräteschuppen werden aufgeschlossen. Besen, Rasenmäher, Gartenschere und allerlei weitere Utensilien werden rausgeholt.Während die Jüngeren in die Stadt oder zum Einkaufen fahren, geben sich die Älteren der Gartenlust hin. Bis zur Mittagszeit (und auch danach) will man noch etwas schaffen.Um mich herum Doppelhaushälften, großzügig, da in den siebziger Jahren erbaut. Jetzt ist von Ruhe keine Spur mehr. Hektische Betriebsamkeit, überall werkeln die Menschen. Sie arbeiten in ihren Gärten, mähen Rasen, schneiden Hecken und säubern die Beete. Manche saugen auch ihre Autos, machen sie fein für den Sonntag, reparieren Fahrräder, sägen Holz. Ab und an ziehen Flugzeuge am Himmel entlang. Man hört Ehefrauen, die ihren Männern sagen, was sie tun müssen, wo es noch etwas zu schneiden, zu mähen oder auszukratzen gilt. Mit lauter, klarer Stimme. Gerade das Auskratzen der Fugen auf den Gehwegen vor dem Haus, den sogenannten öffentlichen Wegen ist eine willkommene Beschäftigung. Mit Akribie und Leidenschaft wird dem Unkraut der Garaus gemacht - zumindest eine Saison lang. Versuche das Unkraut mit einem Bunsenbrenner abzufackeln oder mit einem Rasenmäher Herr zu werden scheitern immer wieder. Man muss auf die Knie und kratzen. Bürgerdienst an der Gemeinde? Andere machen es sich einfacher. Sie streuen im Winter Tonnen von Salz auf ihre Gehwege und scheinen damit auch das Unkraut zu stoppen. Eine Alternative wäre Guerilla-Gardening. Einfach wachsen lassen, was wachsen will oder als Acker nutzen. Dann müssten wir Großstädter mit Machete zum  Einkaufen gehen oder könnten vor der Tür ernten - wäre ja auch eine Beschäftigung. Langsam verschwindet die Sonne hinter den viel zu großen Bäumen in den Gärten, Menschen kehren heim, packen die Einkaufstüten aus, verstauen ihre Gerätschaften in den Gartenhäusern. Stolz mit ihrem Tagwerk. Wieder etwas geleistet. Jetzt werden die Grills ausgepackt, Freunde kommen zu Besuch, manche schalten auch nur ihre Fernseher ein. Andere machen sich erst jetzt auf den Weg den Tag, der längst ein Abend ist, zu erobern. Ganz andere Geräusche machen sich breit. Von irgendwoher klingt Musik von einem Festival, ein paar Jugendliche fahren sich freudig und laut unterhaltend vorbei. Auf der Terrasse des Nachbarn klingen die ersten Gläser, ploppen die Bierflaschen, Fußball und Politik, Meinungen und Vorbehalte, Schicksale von Freunden und Urlaubserinnerungen. Haustüren gehen auf und zu, ein Federballspiel erobert die kleine Straße. Die ersten Jalousien werden heruntergelassen, nicht weniger leise als am Morgen - Zeichen, den Abend zu beenden und die Nachtruhe einzuläuten - im wahrsten Wortsinn: die Glocke vom Kirchturm wird hörbar.