Hören & Zuhören

Der Blog von zuhoeren dreht sich um alles, was mit Hören zu tun hat. Musik, Geräusche, Meinungen, Töne, Positionen ... Nur selten um Werbung und Marketing. Die andere Seite von zuhoeren und ganz im Sinne von Immanuel Kant:

„Nichtsehen trennt den Menschen von den Dingen,
Nichthören trennt den Menschen vom Menschen.“



Samstag, 1. Dezember 2012

Wo bleibt die Einfachheit?

Einen Wunsch hätte ich noch - Geräte, die einfach sind. Beim Kaffee machen zum Beispiel. So schön ja Kaffeevollautomaten oder Siebträgermaschinen auch sind, aber wie oft klappt etwa das Aufschäumen der Milch nicht, ist der Druck noch nicht bereit, stimmt die Brühtemperatur nicht zur ausgewählten Kaffeebohne. Viel einfacher geht es mit "french press". Einfach ein paar Löffel mit frisch gemahlenem Kaffee in die Glaskanne, heißes Wasser dazu, etwas stehen lassen, dann vorsichtig das Sieb herunterdrücken - fertig ist der Kaffee. Ein direkter Genuss, fast ohne Umwege.

Oder unsere wunderbaren Autos, deutsche Ingenieurskunst, mit vielen Extras und Kabelbäumen, die fast eine Tonne wiegen. Damit die Standheizung im Winter doch nicht funktioniert (weil versottet) oder die Zentralverriegelung streikt (weil eine Steckverbindung nicht ganz exakt passt oder sich gelöst hat). Die kleinen Dinge machen der großen Technik einen Strich durch die Rechnung. 

Beschränken wir uns doch auf das Notwendige, schöpfen wir aus dem Vollen, um Dinge herzustellen, die funktionieren, überzeugen und uns voranbringen. Brauchen wir wirklich alle Apps, müssen wir durch Rom laufen, das iPad vor den Augen, um uns virtuell durch die ewige Stadt zu bewegen (statt auf die Straßen und Menschen zu schauen, für den authentischen, lebensnahen Eindruck). Warum konzentrieren wir unsere Techniken nicht auf den Kern? Warum lassen wir uns nicht mehr zu? 

Beispiel Kino. Der "kleine Hobbit" von Peter Jackson fasziniert durch aufregende Bilder, besser als die Realität, genauer als das wahre Leben. Eine neue Technik macht es möglich - aber weckt der Film auch Gefühle? Rolf Giessen meint, die Technik sei "Zu groß um Zwerge abzubilden". Seine Quintessenz:
Während ich den Film sah, war ich überwältigt, hingerissen, alle zehn Minuten eine neue Action-Sequenz, zum Denken kam man natürlich gar nicht, zum Fühlen kam man gar nicht. Es war, es stürzte alles auf einen ein. Nur, als ich das Kino verließ, war in mir eine gähnende Leere, es war stereoskopisch, aber ich fühlte keine Tiefe. Und zum Schluss dachte ich: 'Diese Technik ist zu groß, um Zwerge abzubilden.
Und am Ende des Interviews mit Deutschlandradio-Kultur zieht er ein denkenswertes Fazit, welches für viele Bereiche gilt. Weil sich die Filmindustrie - ähnlich wie die Musiklabels - der Digitalisierung "anempfohlen" hat, sich nicht mehr auf ihre Stärken, die Wurzeln konzentriert, schafft sie fleißig die Voraussetzungen für ihre eigene Austauschbarkeit und damit ihrem Untergang.
Aber das Kino erzählt Geschichten mit Empathie. Und interessanterweise: Ich sehe, wie toll diese digitalen Figuren sind, vor allem der Gollum ist in diesem Stück viel besser als in den vorhergegangenen Filmen. Man sieht also schon den Quantensprung, den die Technologie gemacht hat. Aber ich merke eine Distanz zu dieser Figur ...
Um was geht es? Den Kern zu entdecken. Von allem befreit zeigt sich dann die Qualität (in Dingen und Handlungen) für den Einzelnen und letztendlich die Notwendigkeit, ob man es wirklich braucht oder fühlt. Es sind am Ende immer die einfachen Dinge, die das Leben ausmachen - es sind Klarheit und Gradlinigkeit, die Momente in Echtzeit.

Oder aus dem Buchtext von Peter Strasser (auch ohne religiösen Kontext enthält das Buch viel Wahres):
Geborenwerden, Jungsein, Altwerden und Sterben sind einfache Dinge des Lebens. Sie sind für jeden Menschen fundamental. Andere liegen zwischen Geburt und Tod, als oft geübte Tätigkeiten, vom Zähneputzen, Staubsaugen, Fernsehen bis zum Liebemachen. Die einfachen Dinge des Lebens: Immer handelt es sich darum, dass die Dinge, die man tut, in einem das Gefühl wach halten und nähren, das eigene Leben vielleicht nicht üppig, aber ganz zu leben.
Und weil den einfachen Dingen des Lebens eine Ahnung vom guten Leben innewohnt, sind sie mit all dem verbunden, was unser Leben mit Sinn begabt: mit dem Sinn des Lebens und - für die, die's betrifft - mit Gott. Es ist daher nicht falsch zu sagen, dass es bei den einfachen Dingen des Lebens immer auch ums Ganze geht; es geht, der Redensart ensprechend, um "Gott und die Welt". (Peter Strasser, Die einfachen Dinge des Lebens)