Hören & Zuhören

Der Blog von zuhoeren dreht sich um alles, was mit Hören zu tun hat. Musik, Geräusche, Meinungen, Töne, Positionen ... Nur selten um Werbung und Marketing. Die andere Seite von zuhoeren und ganz im Sinne von Immanuel Kant:

„Nichtsehen trennt den Menschen von den Dingen,
Nichthören trennt den Menschen vom Menschen.“



Montag, 9. April 2012

Beschwingt, unterhaltend, belanglos? Das "Lamm" im Wolfspelz

Ein typischer Woody Allen-Film: Ich sehe den Mann deiner Träume. Der Zuschauer wird in einem Krisenmoment in die Geschichte hineingezogen, verfolgt die unterschiedlichsten Menschen auf ihren Wegen durch das Leben, begleitet die Irrungen und Wirrungen. Alles leicht, locker, beschwingt, untermalt von jazzigen Tönen, Bilder, wie zufällig hingeworfen, wunderbar inszeniert in London.

Alfie, gespielt von Anthony Hopkins, versucht noch einmal jung zu sein, kämpft mit Ausdauer- und Muskelaufbautraining gegen sein Alter, verlässt seine gleichalte Frau, zieht in eine schicke Junggesellenwohnung, kauft sich ein Cabrio und versucht sich als Hengst mit Hilfe von Viagra. Seine Frau, Helena, zugegeben nervig und leicht verschroben, gibt sich dem Esoterischen hin und geht einer Wahrsagerin auf den Leim, um schließlich einen neuen Partner zu finden, der seine verstorbene Frau im Jenseits sucht. Die Tochter von Alfie und Helena, Sally, lebt mit Roy, einem Mediziner, der allerdings lieber erfolgloser Schriftsteller ist, in einer etwas angespannten Ehe - sie hat ganz andere Träume als er (Familie, Glück und Einkommen), er ist auf der Suche nach seinem zweiten Erfolgsroman. Und dann ist da noch ein Galerist (Antonio Banderas) in unglücklicher Ehe, eine exotisch-erotische Nachbarin (Dia), die bald heiraten soll, eine Pokerrunde (die Freunde von Roy), und natürlich die charmant-clevere Charmaine, die Alfie um den Finger wickelt mit ihren üppig-prallen Reizen und ihm schließlich ein Kind, vielleicht den ersehnten Sohn, möglicherweise von ihm, schenkt.

Von Anfang an ist klar - das kann nur böse enden. Interessant bei alledem: Helena, Sally, Roy und schließlich auch Charmaine hängen alle am Tropf vom Alfie, der sich - wie sollte es anders sein - nicht nur in seine eigenen Truggebilde verstrickt, sondern sich auch mehr und mehr verschuldet. Nach Eheauflösungen, falschen Erwartungen und Neuverbindungen bzw. -anfängen ist eines klar: geändert hat sich nichts, alle sind sich treu geblieben. Das ist erschreckend, denn der Aufwand der Trennungen war hoch, die Hoffnungen groß (ewige Jugend, spirituelles Glück, befriedigende Unabhängigkeit, beruflicher Erfolg, ewige Liebe). Und Roy, Dia verführerisch und egoistisch aus einem Eheversprechen gelockt, spielt ein ganz perfides Spiel - er leiht sich den Erfolg von einem Freund und Schriftstellerkollegen, den er für tot hält, der aber nach einem schweren Unfall "nur" im Koma liegt. Wenn er aufwacht, ist sein Bestseller Makulatur, denn Roy hat das Manuskript von ihm geklaut und veröffentlicht - hier endet die Geschichte und der Zuschauer bleibt zurück, auf seinem Sofa, mitten im Leben. Nichts ist gelöst, alles ist offen. Das hat eine gewisse Brutalität, denn die Geschichten laufen weiter, im Kopf - und da beginnen ja nach André Heller erst die wahren Abenteuer. "Und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo." Auf alle Fälle nicht im Jenseits - auch das macht Woody Allen klar.