Hören & Zuhören

Der Blog von zuhoeren dreht sich um alles, was mit Hören zu tun hat. Musik, Geräusche, Meinungen, Töne, Positionen ... Nur selten um Werbung und Marketing. Die andere Seite von zuhoeren und ganz im Sinne von Immanuel Kant:

„Nichtsehen trennt den Menschen von den Dingen,
Nichthören trennt den Menschen vom Menschen.“



Mittwoch, 30. Januar 2013

Keine Zeit für das Wesentliche?

Dezember und Januar waren Kinowochen ... angefangen beim "Hobbit" über "Cloud Atlas" bis hin zu "Django Unchained". Jeder Film mit eigenem Charakter und jeder auf seine Art hochgelobt.

Der Hobbit mit neuer Technik, die noch schärfere Bilder ermöglichte (schärfer als die Realität, braucht man das?); Cloud Atlas vom Regiekonzept (ein Geschwisterpaar und ein Solist) und der Geschichte (Seelenwanderung); Django Unchained vom Sujet und natürlich dem Stil (ein typischer Tarantino, was aber das Verhältnis zur Gewalt, die Bewertung der Taten nur bedingt entschuldigt).

Drei Filme, drei Blockbuster - gut gemachte Umsetzungen. Was aber bleibt? Nachhaltige Gedanken? Bewegende Momente? Auslösende Emotionen? Hier kann ich mich nur dem Filmwissenschaftler Rolf Giesen anschließen: "Zu groß, um Zwerge abzubilden - 3D-Hobbit hat zu viel Aktion und betäubt das Publikum". Es sind oft nicht mehr die Geschichten, die Filme (oder auch Bücher) ausmachen, es sind die Umsetzung, der Trick, die handwerkliche Aufbereitung, die Fassade. So bleiben die Emotionen auf der Strecke. Der schöne Schein täuscht hinweg und gibt uns kurzfristig das Gefühl etwas erlebt zu haben. Das ist wie im alten Rom. Brot und Spiele waren dort das Rezept, um die Bürger bei Laune zu halten. Heute sind es Neuheiten im Minutentakt - was gestern noch angesagt war, ist heute schon wieder überholt. Nichts bleibt in unseren Köpfen, Auseinandersetzung ist nur bedingt gewünscht - wie auch? Die Tiefe der Information oder Emotion kann nur fehlen - so viel Zeit bleibt nicht.

Wir überholen uns selbst, in allen Bereichen. Auch das ein Gesetz der kapitalistischen Lebensform - das Neue ist im Augenblick des Erscheinens schon das Gestrige. Beispiel Facebook: Wer versteht hier noch alle Möglichkeiten? Soll man dieses Tool überhaupt verstehen? Jeden Tag eine kleine Innovation (kein Fortschritt, eher Ablenkung), um nie zum Kern vorzudringen, sich mit diesem auseinandersetzen zu können. Bestand hat keine Qualität mehr. Ein Handy, welches mehr als drei Jahre seinen Dienst tut ist quasi schon ein Dinosaurier. Auch hier: Ehe man die Funktionen und Möglichkeiten ausschöpft, kommt etwas Neues. So bleiben wir an der Oberfläche und genießen das Glück der Täuschung. Haben wir Angst vor der Auseinandersetzung? Lieber schnell über das iPhone in Wikipedia gegoogelt, um etwas über z.B. die Kapverdischen Inseln zu erfahren, als sich im Dialog mit Tischnachbarn auszutauschen und nachzufragen, sich selbst ins Spiel zu bringen. Wollen wir das? Das Selbst, uns zeigen, und damit eine Projektionsfläche bieten? Können wir das überhaupt noch? Das hat natürlich auch etwas mit Bewahren zu tun: Bewahren der eigenen Fähigkeit Gedanken zu denken und zu formulieren, selbstkritisch mit Anregungen umzugehen, Anregungen aufzunehmen und diese in sich zu wenden und zu verändern, mit ihnen zu spielen, eine eigene Philosophie, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln - seinen Weg zu gehen, der nicht immer anders sein muss, nur der eigene. Das lohnt sich zu bewahren.

Es ist einfach schön, sich bei einem Spaziergang ohne Empfang zu unterhalten, die Gedanken wandern zu lassen, eine Brücke zu schlagen im Dialog, Einverständnis in den Überzeugungen zu entwickeln (und nicht vorgefertigt zu übernehmen). Oder beim gemeinsamen Kochen, Schnipseln und Vorbereiten - beim Tun. Das muss nicht kompliziert sein - denn auch hier gilt: oft sind es die einfachen Dinge, die überzeugen. Das dauert etwas länger (länger als das Fertiggericht in die Mikrowelle der perfekten Küche zu schieben), keine Frage. Kann auch anstrengend sein - aber es bleibt im Kopf und im Herzen, als gemeinsames Tun, als Entwicklung und Freude. Genauso scharf oder unscharf wie die Realität, so wie wir sie im Augenblick empfinden, so wie wir sind. Wir - und kein Avatar.