Hören & Zuhören

Der Blog von zuhoeren dreht sich um alles, was mit Hören zu tun hat. Musik, Geräusche, Meinungen, Töne, Positionen ... Nur selten um Werbung und Marketing. Die andere Seite von zuhoeren und ganz im Sinne von Immanuel Kant:

„Nichtsehen trennt den Menschen von den Dingen,
Nichthören trennt den Menschen vom Menschen.“



Samstag, 25. September 2010

Hemd oder Kopf?

"Ohne Hemd kann man sich in der Öffentlichkeit nicht sehen lassen, ohne Kopf in der Regel schon".

Nettes Zitat von Hans Wollschläger, dem 2007 verstorbenen Übersetzer, Literaten, Gelehrten und Sprachkünstler. Heute genauso aktuell wie damals.

Nicht jedes Ereignis ist ein Ereignis

"Es gibt sie noch, die guten Dinge" - dieser Slogan von Manufactum ist charmant, löst er in einem doch die Sehnsucht nach der "guten" alten Zeit aus, nach etwas Verlorenem. Wenn wir dieses wieder finden (oder kaufen im Katalog von Manufactum), so das Versprechen, kommt sie wieder, die "gute" alte Zeit. War sie wirklich so gut? Warmes Wasser, nur wenn man Holz für den Ofen anschürt, der Besuch der Oma in Hamburg, eine kleine Weltreise, Samstag, ein ganz normaler Arbeitstag ... Beispiele gibt es viele, die die "gute" alte Zeit in einem etwas anderem Licht erscheinen lassen.

Zum Glück gibt es das Heute! Wenn es nur nicht so hektisch wäre, die Zeit immer knapper wird, die Menschen kaum mehr Momente der Ruhe, des Innehaltens haben - alles ist durchgetaktet, jeder ein Sender, kaum mehr Empfänger ... und alles überwältigend groß, einmalig, unvergleichlich. Das Mega-Event, der Weltbestseller, das Superspiel, die technologische Revolution, das Wundermittel. In einer Flut der Neuheiten gehen wir unter und haben kaum mehr die Möglichkeit der Bewertung. Wir verlassen uns auf die anderen, Journalisten, Kritiker, Freunde. Wir empfehlen weiter auf der Basis vom "Hören-Sagen". Botox, iPad, Jonathan Franzen "Freiheit" - für die Kritik ein literarisches Beben, ein Ereignis. In Amerika hochgelobt.

Ich habe schon sein Buch "Die Korrekturen" nach 50 Seiten zur Seite gelegt (womit ich das Werk nicht bewerten möchte). Natürlich: Sauber erzählt, gut komponiert, aber reicht das aus? Ich erinnere mich noch an meine erste Lektüre von "Ulysses" von James Joyce, in der alten Übersetzung. Es hat mich mitgenommen, auch wenn ich es damals (und auch heute) nicht ganz durchdrungen habe. Und dann die Übersetzung von Hans Wollschläger. Das Buch in schlichtem Schwarz, darauf ganz klar die Schrift "James Joyce Ulysses" Suhrkamp. Klassisch, - ein Vogriff auf das Apple-Design der heutigen Tage. Natürlich ist Ulysses nicht jedermanns Sache, aber hier schrieb ein Besessener und schuf eine rhythmische Komposition (1000 Seiten) - und hier übersetzte ein "schöpferischer Nachdichter" mit einer unglaublichen Leidenschaft.

Seine Lesung im Kollegienhaus der Universität Erlangen-Nürnberg (also in den späten 80zigern) war für mich ein unglaubliches Ereignis. Da saß jemand und las aus dem Jahrhundert-Roman mit Worten, die Bilder entstehen ließen, spielte mit den Tönen und Lauten, versuchte den Rhythmus und die Sprachgewalt des Iren James Joyce authentisch im Deutschen nachzubilden. Er hat es geschafft uns alle, die wir da im großen Hörsaal saßen, mitzunehmen auf diese Reise. Wir haben zugehört, gelauscht, in uns hinein gespürt. Es war ein Abenteuer, noch ohne YouTube und Podcast - ganz auf das eigene Gehör, den eigenen Eindruck "beschränkt". Man muss darüber erzählen, sich mit Freunden und Weggefährten, die bei der Lesung dabei waren, austauschen, um die Erinnerungen wach zu halten.

Ein kleines Tondokument aber gibt es im Wikipedia-Eintrag, viel Spaß beim Zuhören. Ein anderes Abenteuer ist übrigens Armo Schmidt und sein Buch Kaff. Hier kann man das Lautmalen lernen, schrieb er doch wie er sprach - oder zu sprechen dachte. Beispiel gefällig?

>> Joa; in der Schule << sagte sie, unbegeistert : >> MÄCK=BÄSS - oh shiver my timbers. - Ich weeß : das schteht nie drinne. << fügte sie hastisch hinzu.

Nach dem Sinn zu fragen ist hierbei müßig, vielleicht nur ein großer Spaß. Genug davon - das Wochenende ist da mit Dauerregen und Zeit für die schönen Dinge des Lebens: Zuhören, Lesen, Entspannen ...

Montag, 20. September 2010

Zuhören tut gut

Das Wochenende ist Geschichte, der Montag hat uns wieder. Die Motoren werden angelassen, die Fahrräder bestiegen, die Staus sind programmiert. Kaum in der Arbeit, werden die Kaffeemaschinen angemacht, die PCs hochgefahren, die ersten Telefonate geführt - was war, was ist, was wird sein? Was war? Letzte Woche Donnerstag, Theater Fürth, Stifter Gala. Die Sparkasse Fürth und die Stiftergemeinschaft Fürth luden ein zum großen Fest. Im Mittelpunkt standen Stiftungen in Fürth und im Landkreis Fürth. Exemplarisch wurden vier Stiftungen vorgestellt, um zu zeigen, wie man Gutes tun kann und welche Rolle heute Stiftungen spielen. Die Kulturförderstiftung etwa und ihr Einsatz für die Musikschule Fürth e.V. Oder die Stiftungrn "Kinderheim St. Michael" und "Kinderarche". Beides Einrichtungen, die Kindern und Familien in Notsituationen helfen und begleiten. Eindrucksvoll auch die Stiftung "Der Schülercoach" und das Cadolzburger Modell - hier zeigt sich, was ein Einzelner bewirken und auslösen kann. Höhepunkt des Abends war die Vergabe des Fürther Stifterpreises 2010, ein Preis für eine Stifter-Persönlichkeit. In diesem Jahr ging die Auszeichnung an den mittlerweile 90-jährigen Hans-Georg Mathias, der sich mit seinem stifterischen Engagement, unter anderem für die Kulturförderstiftung Fürth, große Verdienste um Fürth erworben hat. Ein wunderbarer Abend, in dem das Wort und das Bild im Mittelpunkt standen - Menschen erzählten aus Ihrer Arbeit in und für die Stiftungen, gaben Einblick in das Leben und das Tun etwa eines Schülercoaches oder einer Jugendgruppe. Hier war Zuhören angesagt. Genauso wie bei "Salut Salon", die für die musikalischen Akzente sorgten. "Musik soll glücklich und nachdenklich machen", dieses Zitat von Astor Piazolla ist das Motto von Salut Salon - und passte damit perfekt zum feierlichen Abend.

Sonntag, 12. September 2010

Komische Samstage

Ich sitze auf der Terrasse. Es ist früh am Morgen, die Natur erwacht. Man hört die Vögel zwitschern, manche im Dialog, manche flöten einsam. Ganz entfernt das Rauschen der Autobahn, ab und an fahren Autos vorbei - auf dem Weg zum Bäcker, der eigentlich ganz nah ist. Hinten schleicht eine Katze vorbei, tappst durchs feuchte Gras. Die Jalousien werden hochgezogen - nicht leise, sondern kräftig - unsere Nachbarschaft  begrüßt den Morgen. Gegenüber wird dem Tag gedankt, der gestrige Abend in freundlichem Small Talk ausgetauscht. Ein Vater mit Kind kommt vorbei, schemenhaft hinter der Hecke erkennbar, aber deutlich hörbar. Fragen werden gestellt, Regeln zum Überqueren der Straße erläutert. Geduldig aber klar. Langsam verlieren sich die einzelnen Geräusche und werden Kulisse. Die Sonne taucht den Garten in goldenes Licht, die Geräteschuppen werden aufgeschlossen. Besen, Rasenmäher, Gartenschere und allerlei weitere Utensilien werden rausgeholt.Während die Jüngeren in die Stadt oder zum Einkaufen fahren, geben sich die Älteren der Gartenlust hin. Bis zur Mittagszeit (und auch danach) will man noch etwas schaffen.Um mich herum Doppelhaushälften, großzügig, da in den siebziger Jahren erbaut. Jetzt ist von Ruhe keine Spur mehr. Hektische Betriebsamkeit, überall werkeln die Menschen. Sie arbeiten in ihren Gärten, mähen Rasen, schneiden Hecken und säubern die Beete. Manche saugen auch ihre Autos, machen sie fein für den Sonntag, reparieren Fahrräder, sägen Holz. Ab und an ziehen Flugzeuge am Himmel entlang. Man hört Ehefrauen, die ihren Männern sagen, was sie tun müssen, wo es noch etwas zu schneiden, zu mähen oder auszukratzen gilt. Mit lauter, klarer Stimme. Gerade das Auskratzen der Fugen auf den Gehwegen vor dem Haus, den sogenannten öffentlichen Wegen ist eine willkommene Beschäftigung. Mit Akribie und Leidenschaft wird dem Unkraut der Garaus gemacht - zumindest eine Saison lang. Versuche das Unkraut mit einem Bunsenbrenner abzufackeln oder mit einem Rasenmäher Herr zu werden scheitern immer wieder. Man muss auf die Knie und kratzen. Bürgerdienst an der Gemeinde? Andere machen es sich einfacher. Sie streuen im Winter Tonnen von Salz auf ihre Gehwege und scheinen damit auch das Unkraut zu stoppen. Eine Alternative wäre Guerilla-Gardening. Einfach wachsen lassen, was wachsen will oder als Acker nutzen. Dann müssten wir Großstädter mit Machete zum  Einkaufen gehen oder könnten vor der Tür ernten - wäre ja auch eine Beschäftigung. Langsam verschwindet die Sonne hinter den viel zu großen Bäumen in den Gärten, Menschen kehren heim, packen die Einkaufstüten aus, verstauen ihre Gerätschaften in den Gartenhäusern. Stolz mit ihrem Tagwerk. Wieder etwas geleistet. Jetzt werden die Grills ausgepackt, Freunde kommen zu Besuch, manche schalten auch nur ihre Fernseher ein. Andere machen sich erst jetzt auf den Weg den Tag, der längst ein Abend ist, zu erobern. Ganz andere Geräusche machen sich breit. Von irgendwoher klingt Musik von einem Festival, ein paar Jugendliche fahren sich freudig und laut unterhaltend vorbei. Auf der Terrasse des Nachbarn klingen die ersten Gläser, ploppen die Bierflaschen, Fußball und Politik, Meinungen und Vorbehalte, Schicksale von Freunden und Urlaubserinnerungen. Haustüren gehen auf und zu, ein Federballspiel erobert die kleine Straße. Die ersten Jalousien werden heruntergelassen, nicht weniger leise als am Morgen - Zeichen, den Abend zu beenden und die Nachtruhe einzuläuten - im wahrsten Wortsinn: die Glocke vom Kirchturm wird hörbar.  

Dienstag, 7. September 2010

Die Lust am Hören

"Zuhören ist das A und O gelungener Kommunikation. Es ist eine ebenso grundlegende wie komplexe Fähigkeit, die gelernt sein will. In unterschiedlichen Projekten macht die Stiftung Zuhören den Wert dieser Fähigkeit erfahrbar und bietet Gelegenheit, sich schrittweise in ihr zu üben."
Die Stiftung Zuhören (www.stiftung-zuhoeren.de) macht das selbstverständlich, was wir eigentlich alle können sollten - aber mehr und mehr verlernen: Das Zuhören. Was aber ist Zuhören? Zuerst das "Einlassen" auf den Dialogpartner, auf den oder das Gegenüber. Denn Zuhören heißt nicht nur ein Gespräch verfolgen, Argumente austauschen, sich aktiv einbringen, Zuhören kann genauso gut bedeuten, Geräusche wahrzunehmen, die Stimmen der Natur, das Wellenrauschen zu hören, den erwachenden Morgen zu spüren. Immer geht es darum, sich auf die Situation einzulassen und sie bewusst zu erleben. Was aber ist die Realität? Jogger, die sich in der Natur mit ihrem MP3-Player abschotten, Menschen, die in U-Bahnen und auf Straßen mit dem Stöpsel im Ohr telefonieren, Autofahrer, die mit ihren Subwoofern und Boxen ganze Kreuzungen beschallen, Kongressteilnehmer, die im Vortrag iPhone und Laptop (inzwischen wahrscheinlich iPad) benutzen, Eltern, die Zeitung lesen, während ihre Kinder vom Tag erzählen. Ablenkung vom Eigentlichen? Wollen wir nicht mehr hören, um das damit mögliche Erkennen des Dahinterliegenden und die damit verbundene Verantwortung wegzuschieben? Wer nicht hört, sich taub stellt, lebt einfacher - entzieht sich aber auch der Gesellschaft. Dem wirkt die Stiftung Zuhören auf vielerlei Weise entgegen. Hörclubs, Projekte und Veranstaltungen fördern das aktive Zuhören. Auch wir können es lernen - indem wir uns wieder auf die Momente konzentrieren und uns vom "Multitasking-Alltag" verabschieden. Und von Kindern lernen, die glückselig versunken im Sandkasten mit Förmchen spielen und sich ganz ihrem Tun hingeben.

"Die Stiftung Zuhören kann und will mehr als Schadensbegrenzung betreiben. Mit der Vermittlung der Faszination Zuhören fördert sie in allen Altersgruppen menschliche Grundfertigkeiten und entdeckendes Lernen. Mit dem innovativen Ansatz der Zuhörförderung trägt sie dazu bei, freiheitliche Interessensvertretung am Gemeinwohl auszurichten."

Donnerstag, 2. September 2010

Ausgezeichnet

Bernd Böhner, Fotograf, Chronist, sensibler Beobachter und Mensch, wird am 29. September mit dem Otto-Grau-Kulturpreis ausgezeichnet. Ein Preis, der alle zwei Jahre von der "Otto und Hildegard Grau-Kulturstiftung" vergeben wird. Die Stiftung wurde 1993 von Dr. Hildegard Grau (gest. 1996), der Witwe des weit über Franken hinaus bekannten akademischen Malers und Grafikers Otto Grau (1913-1981), in Würdigung seines Lebenswerkes ins Leben gerufen. Ausgezeichnet werden laut Satzung "Einzelkünstler aus den Bereichen Bildende Kunst (Grafik, Bildhauerei, Design, Fotografie), Literatur, Musik, Kunstwissenschaft, die eine Beziehung zu Franken durch Leben oder Werk oder eine enge Verbundenheit zur Arbeit Otto Grau`s" haben.

Wer das fotografische Werk von Bernd Böhner kennt (Teile davon sind ja auf unserer Website www.agentur-zuhoeren.de zu sehen), weiß, dass Franken, Erlangen, nicht nur seine Heimat ist, es ist sein Lebenselixier. Nicht als Klischee, sondern in allen Facetten des Lebens, in den Augenblicken des Alltags und der Ausnahmen, in den kleinen und großen Veränderungen, immer mit dem Blick auf das Detail und dem Wissen um das Ganze. Menschen, Gebäude und Kunst, Stimmungen, Veranstaltungen, Entwicklungen - Lebensräume und -situationen in all ihrer Vielschichtigkeit und allen Ausprägungen. Natürlich ist das nicht alles - seine Bilder aus Frankreich, der Cevennen Zyklus etwa, hat mich immer begeistert. Schwarz-weiß Fotografien von Menschen, der Landschaft, der Natur und den Stimmungen. Das sind die Themen, die das Werk von Bernd Böhner durchziehen - egal in welcher Umgebung.

Hier ein paar Links für mehr Informationen zum Preis und zu Bernd Böhner:
Jenseits der Klischees, Beitrag in den Erlanger Nachrichten
In memoriam Otto Grau - Zur Ausstellung im Kunstmuseum Erlangen
Momente, die Geschichte erzählen: Eine kleine Werkschau mit älteren Fotos in der SZ